Glaub an dein Tun


Nach einem sehr durchwachsen erfolgreichen Cupfischen in Kroatien, Spaß hatten wir wie immer, gefangen haben wir auch, aber darüber decken wir lieber der Mantel des Schweigens, kamen Beaver Love und ich wohlbehalten am Sonntagabend zuhause an. Mein deutscher Freund Ralf “The Doc“  hat schon am Samstag am Virgin Lake für seine erste Session 2018 Stellung bezogen und mich via Whatsapp am Laufenden gehalten, was Wetter, Taktik und Beute betraf.

Der gute Doktor darf als Jahreskartenfischer mit der wohl unglaublichsten Anreisedistanz zum Virgin, ja wahrlich als komplett Wahnsinniger abgestempelt werden. Ich zumindest kenne niemanden der ernsthaft 470km Anreise zum Hauswasser für gut befindet und die ohnehin sehr hohe Pacht, mit einem Zwinkern, ob der Schönheit unseres Teichs, mit einem Lächeln im Gesicht abdrückt. Ganz nebenbei bleibt es zumeist für den guten Doc natürlich nicht nur bei der beschwerlichen Anreise. Wie immer kann die Jungfrau ja unglaublich gemein sein und gerade dem weit Gereisten echte Felsen vor die Füße werfen. Seien es nun anhaltende Beißflauten, ungewöhnlich hohes natürliches Nahrungsaufkommen, Laichzeiten die sich wie von Geisterhand bewegt, ganz neben dem eigentlichen Zeitfenster einstellen, oder simples Sauwetter für exakt die Tage, wo Ralf endlich ans Wasser darf. Man spricht also mit Fug und Recht beim Doc von einem gebrannten Kind. Der Arme hat nicht erst einmal knapp 1000km abgedrückt, um völlig blank, nach 7 Tagen Schlammschlacht, unverrichteter Dinge, heimkehren zu dürfen. Seinem zutiefst positiven Naturell entsprechend, wird aber nur Post aufgegeben, die Hoffnung auf eine Virgin Beauty aber sicherlich nie! Dementsprechend gut motiviert war Ralf also auch heuer bei seinem ersten Antreten 2018.

Ich kündete mein Eintreffen für Montagmittag an, galt es ja vorab die versäumten Cuptage email-technisch abzuarbeiten, den Tackleberg vom Cup sinnvoll logistisch unterzubringen und einen flinken Blick durch die Werkstatt zu schleudern, ob da nicht doch irgendwo was zu reparieren herumliegen würde. Zum Reparieren fand sich nichts, die Emails waren flugs beantwortet und schon saß der Dicke im Auto in Richtung Virgin. Dort angekommen grinste mir das fetteste, je gesehene, deutsche Grinsen ever entgegen. Ich wusste sofort, da ist was im Busch. Herr Doktor jubilierte Unverständliches durch die Au. Dem geneigten Leser sei hier zur Hand gegeben, dass ich als mehr, oder weniger Urwiener dem ostdeutschen Dialekt meines Freundes Ralf sowieso nur im Zeitlupentempo, wenn überhaupt folgen kann und andersrum die Sache freilich genau gegengleich, suboptimal funktioniert. Man muss schon verdammt aufpassen was man als Wiener so zum Besten gibt, will man sein Visavis nicht erheblich beleidigen. Egal, die einzig halbwegs verständlichen Dinge die sich mir reimartig manifestierten waren, Full Skelett, Fotograf und Fisch. In meiner Birne fügte sich das zu der Annahme, der Doc habe bereits einen Fisch, noch dazu offenbar einen, der sehr seltenen, Full Scaly und er wolle nun, dass ich ihn samt Fisch fotografiere. Beim ersten Anblick des Fisches blieb mir glatt die Luft weg. Was für eine Granate! Alter Schwede! Aber bitte Herr Doktor, nenn die Dinger nicht Full Skelett!?! So ein Fisch entschädigt sicher für gut 100.000 blanke Autobahnkilometer, oder?


Nach etlichen Gratulationen und dem penibel korrekten Releasen des Full Scale Carp  trabte ich zu meinem Swim, legte meine Ruten aus und fütterte ganz nebenbei gut 50kg Partikel auf mein Plateau. Was weiter nicht schwer war, hatte Kollege Beaver Love das ganze Fass Partikel, das eigentlich für den Cup gedacht war, ja vor der Firma in der Sonne stehen lassen, anstatt sie mit nach Kroatien mit zu nehmen. So gesehen hatte ich ohne viel Mühe massig Futter am Start und meine Spots mehr als nur lose bestückt. Spots vor allem, weil ich mich entgegen meiner 2017er Taktik, für heuer entschlossen habe, auch das kleine Seerosenfeld direkt rechts neben meinem Steg unter Futter zu halten. Das bedeutet genaugenommen, dass ich 3 Ruten auf knapp 6m Breite, am 90m entfernten Plateau verteile und die Vierte keine 8m vorm Pod, quasi vor den Füssen liegen habe. Kurz vor 18Uhr hatte ich dann auch mein Camp vollständig wiederhergestellt und begab mich bewaffnet mit 2 Flaschen Grünen Veltliner zu Ralf in die Hütte. Schnell war auch dort der normale Aufbauwahnsinn erledigt und mit einem sehr langen AAAAHHHHH ließen wir uns in die Sessel fallen. Wenig später brutzelten bereits ein paar schöne Pfeffersteaks am Grill und mit den Bratkartoffeln aus der Pfanne hatten wir dann ein gar nettes Abendessen am Tisch stehen. So gegen 23Uhr zollten wir den ganzen Aktivitäten Tribut und suchten, gar nicht unzufrieden aber doch müde, die Liegen auf.

Dienstag 1. Mai, erstens ein Feiertag und zweitens, tat sich an meinen Baits gar nichts. Das bedeutete, dass ich positiv betrachtet, wunderbare 9 Stunden Schlaf ergatterte, negativ gesehen, trotz Unmengen Futter keinerlei Aktion weder am Plateau, noch bei den Seerosen verzeichnen konnte. Geübte Leser dieses Blogs, werden jetzt leise in sich hinein lächeln, weil das ist ja beileibe nichts wirklich Neues, mich selber aber wunderte es doch ein wenig. Die 50Kg Partikel, waren kein schnödes Mais-Weizen-Tigernuss Gebräu, nein viel mehr ein echtes Gourmetmenü, bestehend aus Tigernuss, Mais, Mapel Peas, Leinsamen, Grünkorn, Käferbohnen, Sultaninen, Weizen, Hanf und diversen Linsen. Kaum betrat ich wenig später den Wintergarten unserer Hütte, konnte ich erneut ein fettes, germanisches Siegergrinsen erspähen. Ralf meinte zwar sehr freundschaftlich, dass ich in Ruhe meinen Kaffee schlürfen darf, hernach aber den nächsten, etwas schwereren Spiegler von seinem  Erfolgsspot abzulichten habe. Beim Doc lief es, hat er sich auch wirklich verdient.


Untertags veranschaulichte mir die unvermeidbare Kontrollrunde am Plateau, dass mein Spezialfutter sehr wohl dankend angenommen wurde. Bravo, da lag nichts mehr, von meinen unberührten Ködern mal abgesehen. Wenn ihr finsteren Kreaturen der jungfräulichen Untiefen wirklich glaubt ihr könnt hier wen verarschen, dann seid ihr bei mir völlig richtig, oder wie war das gleich mal? Da mich am kommenden Morgen ja wieder die Firma rief, beschloss ich folglich, gleich mal alles so zu lassen, wie ich es am Vorabend ausgebracht hatte. Ein kleines Mittagsschläfchen rundete den wunderbaren Feiertag hervorragend ab und am Abend stand ja das Champions League Halbfinale Real Madrid gegen Bayern am Programm, Herz was willst du mehr? Ganz besonders cool an diesem Fußballabend war, dass Ralf ein langjähriger Bayernfan ist und ich eingetragener Realfan bin, was dem Match zusätzliche Würze verlieh. Ich würde sagen, es war ausgleichende Gerechtigkeit. Ralf griff hier die Fische der Reihe nach ab und die Bayern verabschiedeten sich aus dem Bewerb, für mich ok. Weniger OK war dann das Ende des Fernsehabends, denn urplötzlich kam Leben in meine Uferrute. Wäre ja zu schön gewesen, wenn da echt ein Karpfen gebissen hätte! War aber nicht, den Miniwels durften wir dann auch noch spazieren führen, verdammt. Nach dieser wie immer äußerst netten Runde zum Thema “Wir besetzten fremde Gewässer“ rauchte ich in meinem Camp eine letzte Winston und konnte dabei Kollegen Ralf am See im Boot beim Drillen bewundern. Da sich mein germanischer Freund weder akustisch, noch fernmeldetechnisch irgendwie äußerte, begab ich mich in meine Liege. Wird wohl eine Fotoaktion früh am Morgen werden war mein Gedankengang.

Kurz nach 7 Uhr Früh kurbelte ich meine drei verbliebenen, wie immer erfolglosen, Baits vom Plateau ans Ufer, enterte mein Auto und fuhr vor zur Hütte. Ein noch breiteres Siegergrinsen war der Lohn der vergangenen Nacht.


Nach Fotografieren, Zurücksetzen und einem schnellen Kaffee schraddelte ich in meine Werkstatt. Dort angekommen wurde ich mit der relativ erfreulichen Tatsache, dass ich eigentlich gar nichts tun konnte, weil O-Ton Dreharbeiten im Studio stattfanden, konfrontiert. Ja es wurde mir sogar mitgeteilt, dass auch für Donnerstag Dreharbeiten anstanden und ich so gesehen erst Freitags wieder aktiv arbeiten könne. Gut so, die paar Kleinigkeiten am PC erledigte ich in knapp 45Minuten und schon war ich wieder am Weg zum Virgin. Dieser Mittwoch verlief  weitgehend ereignislos, sieht man mal von der für die Jahreszeit ungewöhnlichen Hitze ab und negiert die erneute Maikäferplage am Virgin, hätte man von einem netten Hochsommertag sprechen können. Ich hatte kurz nach Mittag meine drei Baits am Plateau abgelegt, den Vierten unweit neben den Seerosen vor meinen Füssen versenkt und gut 30 Kg echt gammligen Mais über meine Baits am Plateau verteilt. Dem fortschreitenden Alter wurde dann ein wirklich erholsamer Mittagsschlaf verordnet. So gegen 18Uhr fand man sich in der Hütte ein, um schön langsam den Grill zu starten und die letzten Vorbereitungen für das abendliche, zweite Halbfinalrückspiel, der CL, As Rom vs. Liverpool  in Angriff zu nehmen. Mittlerweile zog es rund um uns gar dunkel auf. Ich monierte, wie immer den Wissenden gebend, dass uns die schwarzen Wolken sicher gar nichts anhaben können und sich sowieso wieder Luft auflösen würden. Wie meistens, wenn man glaubt sich einer Sache sicher zu sein, wurde mir kurz vor dem Start der Sportübertragung das Gegenteil bewiesen. Ein erster infernalischer Donner läutete da ein wahres Jahrhundertgewitter ein. Das Fußballmatch war ähnlich einer Live Ticker Übertragung, nur in Snapshots zu erahnen, weil ständig der Sattelitenempfang ausfiel und als es dann auch noch kräftig zu hageln anfing, wurde selbst, mein mit allen Wettern gewaschener Freund Ralf leicht blass um die Nase. Alter Schwede, teilweise schlugen die Blitze echt nur wenige Meter entfernt ein und die Frequenz der elektrischen Entladungen war echt unbeschreiblich. Das ganze Wetterinferno absolvierte obendrein sicher mehrere Runden über unseren Köpfen, denn das Gewitterzentrum entfernte sich scheinbar, was sich per Sekundenzählen zwischen Blitz und Donner ja irgendwie ausrechnen lässt, nur um wenig später wieder näher zu kommen. Schön auch, dass der ganze Wahnsinn selbstverständlich mit dem Ende der Sportübertragung endlich ein Ende fand, eh klar, weil da hätte man ja schön fernsehen können. Danke Petrus, rechne ich dir hoch an, du Sportverweigerer! Kurz vor Mitternacht bezog ich dann wieder mein Camp, zündete mir ein letztes Vitaminstangerl an und wer hätte anderes erwartet, durfte ich erneut meinen deutschen Kollegen bei karpfentechnischen Rundfahrten am Virgin zuschauen. Schön langsam wurde er mir unheimlich der Herr Doktor. Da er sich wieder nicht weiter alarmierend meldete, dürfte ja alles in Ordnung gewesen sein und so begab ich mich dann auch in die Horizontale.

Punkt 6 Uhr war wieder mal mein Spezialfreund der Eisvogel auf Rute #1 zu Gast, denn wie schon so oft, meldete sich diese per einzelnen Piepser. Wer nun meint, woher ich das wissen kann, dem sei entgegnet, dass ich schön öfters, genau analog geweckt, vor das Zelt gesprintet bin, nur um einen mit dem Kopf heftig nickenden, blauen kleinem Vöglein verärgert zuschauen zu dürfen. Der hockt allen Ernstes am Rutenblank und nickt mit dem Kopf, so lange bis der Delkim piepst, dann schreckt er kurz auf und fliegt weg. Manchmal kommt er sogar zurück und setzt er sich dann auf Rute #2 und wiederholt sein diabolisches Spiel. Einmal war er sogar in Begleitung seiner besseren Hälfte zugange und sie malträtierten alle vier Ruten, diese Plagegeister. Nun doch irgendwie ausgeschlafen wollte ich per IPhone mal rausfinden was in der restlichen Welt so abging, wie das Wetter werden würde und wer sich auf Facebook wieder unmöglich gemacht hatte. Gleich zu Beginn konnte ich auf Wetter AT über das tags zuvor erlebte Wahnsinnsgewitter nachlesen. Da war echt die Rede von 65.000 Blitzen innerhalb einer Stunde. Da soll noch wer sagen Klimawandel sei eine erfundene Geschichte, alter Schalter, gibt´s ja gar nicht, oder? Facebook war dann ähnlich interessant und geistig weiterführend, wie das berühmte Sackerl Reis in China, also trottete ich so gegen 7:30, in Sachen Kaffee, vor zur Hütte. Dort angekommen wurde mir, kaum hatte ich die Kaffeeerzeugungseinheit endlich am Start und meinen deutschen Kollegen, selbstverständlich mit Petri begrüßt, ein noch viel breiteres Siegergrinsen von Ralf entgegen geworfen. Kannst gleich doppelt fotografieren orgelte er und irgendwas von “The Doktor rocks the virgin“ oder so, verkündete er. Dem von mir beobachteten Drill rund um Mitternacht, folgte offenbar ein Zweiter und der hatte es in sich, denn meine Freund meinte sichtlich beglückt, “+20er und schön sei er auch noch!“.


Als die Fische dann versorgt waren, Ralf mir mehrmals empfahl, zumindest eine Rute auf einen seiner Erfolgsspots abzulegen, was ich jeweils ausschlug, da ich auf meine Plätze nach wie vor vertraue, verkündete er, offenbar vollkommen befriedigt, dass er schon am späten Nachmittag die Heimreise antreten wolle. Abgesehen von der wirklich schönen Serie die er zustande gebracht hatte, verkündete der Wetterbericht Ungemach für Freitag und der Wochenendverkehr würde ja auch nicht gerade positiv in Sachen flotter Heimreise sein. Ergo, erschien sein Plan durchaus nachvollziehbar. Untertags schüttete ich erneut, gut 20Kg Stinkmais auf mein Plateau, beschloss diesen Donnerstag, beziehungsweise die Nacht auf Freitag und das Salzburg Euroliga Match am Virgin zu verbringen. Nachdem Ralf so gegen 14Uhr seine Heimreise antrat, natürlich nicht ohne mir weiterhin seine Erfolgsplätze schmackhaft zu machen, überlegte ich sogar durchgehend bis Montag zu fischen. Am Samstag stand zwar mein 50er an, aber wer mir da unbedingt höchstpersönlich auf die Nerven gehen will, soll doch einfach zu Besuch kommen. Gesagt getan wurde mein familiäres Umfeld mit eben dieser Idee vertraut gemacht. Nach einer sehr herzlichen Verabschiedung von meinem deutschen Freund saß ich also ab 14:15 völlig allein gelassen am Virgin. Wer jetzt glaubt, na klar jetzt kommt der ultimative Wahnsinnsfisch, der irrt gewaltig. Nichts, aber auch gar nichts rührte sich. Am Abend guckte ich die armen Salzburger, die es sich eigentlich verdient hätten weiterzukommen und danach ging ich ohne auch nur einen Fischkontakt schlafen.

Freitagmorgen 6Uhr, täglich grüßt der Eisvogel, eh kloa. Nach einem sehr gelungenen Kaffee bimmelte mein IPhone und die schönen Aussichten verfinsterten sich jäh. Ein unbedingt zu erledigender Auftrag beorderte mich in die Firma. Der Plan war nun, schnell vier Ruten einholen, noch schneller nach Pressbaum fahren, die unbedingt von mir vorzunehmenden Berechnungen schnellst möglich erledigen, danach nach Hause, um frisches Gewand zu fassen und eine schnelle Dusche zu ergattern und dann schnell wieder retour zum Fischen. Nennen wir diesen Freitag doch SCHNELL Tag JJ. Zwischen Firma und Dusche kündete Kollege Philip sein Kommen an, was mich zusätzlich motivierte, weil wenigstens nicht mehr allein. Im Laufe des Nachmittags wurde ich dann informiert, dass auch Viktor, ein Freund von Philip, auf eine Nacht kommen wolle und so stand einem gemütlich lustigen Freitagabend nichts mehr im Wege. Das war eben dieser dann auch, allerdings nur bis exakt 0:03, denn dann brach über IPhone eine für mich unerwartete Glückwunschhölle über mir aus. Ich mein, es ist ja schön, wenn viele Leute an mich, beziehungsweise an meinen 50. Geburtstag denken. Aber muss das gleich kurz nach Mitternacht beginnen? Und muss es gleich derart drastisch passieren? Rundum zufrieden ging ich kurz vor Mitternacht retour in mein Camp, rauchte die Usus gewordene letzte Gute Nacht Winston, setzte meinen Radio in Betrieb, drehte mich einem Gürteltier nicht unähnlich, gemütlich in meinen Schlafsack und wollte gerade die Äuglein schließen, als das IPhone läutete. Happy Birthday Gratulant #1 war ja noch recht lustig, aber so gegen 0:30 Gratulant #27 dann schon etwas weniger. Parallel zu den Anrufen gesellt sich noch ein infernalisches SMS- und Whatsapp- Gepiepse und man kann mir gerne glauben, der 47. Glückwunsch in Sachen, “hoffentlich wirst du mal so alt wie du aussiehst“, manifestiert sich weit abseits jeder beabsichtigten Komik. Ich glaube es war so kurz vor 1Uhr als ich leicht wütend mein IPhone außer Betrieb nahm und endlich nur mehr Schäfchen zählen konnte. Na ja, jetzt aus sicherer Entfernung fühle ich mich doch sehr gebauchpinselt, ob der Schar an Freunden die am mich dachte. DANKE!

Samstagmorgen und wieder war eine Nacht ohne Fischkontakt Geschichte. Habt ihr Flossenträger denn überhaupt keinen Anstand? Hier sitzt ein halbes Jahrhundert fischereilicher Kompetenz und ihr würdigt dies nur unzureichend, Hallo??? Beim Kaffee vorne in der Hütte traf ich auf zwei ebenso Bediente, denn sowohl Viktor, wie auch Philip blieben, ebenfalls komplett ignoriert sitzen gelassen. Virgin at it´s best, könnte man hier anfügen, ist ja nichts Neues, dass man hier ab und an kräftig blankt. Zumindest das Wetter meinte es aber gut mit uns und nach dem herrlichen Kaffee verteilte ich die restlichen 20kg, mehr als nur fragwürdig riechenden Mais auf meinem Plateau. Diese letzte Ladung war derart gut fermentiert, dass mir beim Ausleeren der Eimer um ein Haar das letzte Abendessen samt Kaffee verlustig geworden wäre. Einen so grauslich stinkenden Mais habe ich ehrlich noch nicht oft erlebt. Am späten Nachmittag trudelten dann die ersten Gäste für das abendliche Geburtstagsgrillfest ein. Am Ende, obwohl ich ja an sich kein großer Freund solcher Feste bin, war es wider meinen Vorahnungen, ein wirklich lustiger Abend. Neben meiner Verwandtschaft und Philip, war auch Beaver Love zugegen und nach dem obligatorischen Grillgelage wurde sofort auch der Herr Glenfidich zerstört. Es war wirklich lustig. Aber alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei und dementsprechend diesmal doch etwas später, ging es irgendwann ab in die Liegen.

Wie immer kurz nach 7Uhr Früh erwachte ich einem ungeküssten Engel gleich in meiner Bigboy. Zuallererst stellte ich fest, dass nun wo ich den 50er hinter mir hatte, wahrlich alles genau gleich aussah. Die Sonne schien wie tags zuvor, der Delkimreceiver lag unverrichteter Dinge an der selben Stelle und meine Aufstehartistik war auch nicht anders als sonst. Nach erfolgter Zahnreinigung schmeckte der Schluck Ananassaft analog  bedient wie immer und der morgendliche Hustanfall bei der ersten Winston war ebenfalls unverändert. Schön, so kann es weitergehen, dachte ich mir, zückte mein IPhone und setzte mich in mein Auto. Schauen wir mal was auf Facebook und im Standart neues zu erfahren ist. Viel Neues gab es nicht, denn wenig später dürfte ich im Auto sitzend eingenickt sein. Punkt 10Uhr und ein echter full blooded Run riss mich aus meinen nicht näher zu ergründenden Träumen. Im ersten Moment war ich ob der Tatsache hier im Auto geschlafen zu haben ein wenig verwirrt, hatte aber im nu wieder alle Tassen im Schrank und bewegte mich doch sehr koordiniert in Richtung Rodpod den Abhang hinunter. Auf halber Strecke wurde mir von der Hütte vorne entgegen gebrüllt, dass ich einen Biss habe und endlich munter werden solle. Jungs ich bin ja schon fast da, also alles cool, passt schon! Schon als ich die Rute aufnahm, war mir klar, dass hier etwas Besseres am Band hing. Zu eindeutig und unmissverständlich kraftvoll ging der Fisch hier ab. Jede Überlegung in Sachen Drill vom Land fiel also gleich mal flach und innerhalb weniger Augenblicke war ich auch schon voll ausgestattet im Boot am Weg über den Fisch. Ein kurzer Blick retour zum Pod ließ mich erkennen, dass es wieder einmal die Tigernuss/Popup Kombi war, die hier den Fisch überlistet hatte, hielt ich ja die derart beköderte Rute#2, nun feist gebogen in meinen Händen. Relativ flott war ich dann am Plateau und konnte sofort feststellen, dass der Fisch doch sehr rabiat bereits einiges an Kraut eingesammelt hatte. Ein Blick auf meine Multirolle verriet außerdem, dass er noch ganz schön weit weg war, der Gute. Die erste Kraut-Zupf-Aktion gestaltete sich zwar langwierig, aber irgendwann doch erfolgreich. Kaum war dieser erste Buschen Kraut entfernt löste sich die Schnur vom Grund und ich konnte erstaunt feststellen, dass der Fisch offenbar viel weiter geflüchtet war, als zunächst befürchtet. Fein, dann setz dich mal schön hin, zwick das Rutenende unterm Bauch ein und lass den Fisch arbeiten. Diese mehrfach positiv verifizierte Taktik griff auch diesmal. Philip und Beaver Love saßen am Steg und bewunderten mein Tun in der Morgensonne. Gut 70m hinter dem Plateau konnte ich dann zum ersten Mal den Schlagschnurknoten im Wasser ausmachen. Grundsätzlich ein gutes Zeichen, denn sehe ich den, ist der Fisch noch maximal 7m entfernt. Kaum war dieses positive Zeichen hocherfreut in meinem Hirn verarbeitet, setzte der Fisch erneut zu einer irrsinnigen Flucht an. Ich konnte wieder einmal voll auskosten, wo der große Vorteil der Multirolle beheimatet ist. Prinzipiell stelle ich die Bremsen meiner Multis ein gutes Stück weicher ein, als nötig. Ganz einfach, weil man mit dem Daumen die Spule direkt bremsen kann und im Fall wie eben gerade, völlig ungefährdet, nur durch Heben des Daumens, einfach Schnur geben kann. Kein nerviges Herumdrehen an der Bremse, kein gefährliches in die Schnur Greifen und außerdem wohldosierter Bremsen geht sicherlich nicht mehr. Die nun vom Fisch eingeschlagene Richtung wunderte mich doch sehr. Normal flüchten die Karpfen eigentlich immer über das Plateau hinaus und lassen sich dann irgendwo mittig im See ausdrillen. Dieser Fisch nun tat anfangs auch nichts anderes, aber die erneute Flucht verlief retour zum Plateau und darüber hinaus in Richtung Kevins Steg. Bis retour zum Plateau verlief alles eigentlich normal, dahinter aber war ich mir in Sachen Unterwassertopografie nicht sehr sicher. Zwischen meinem und Kevins Steg liegt ein relativ großer Baum im Wasser und natürlich genau den visierte der Fisch nun an. Gut, der Übergangsknoten war schon kurz vorm Spitzenring. Sobald ich den Knoten in der Rute habe, existiert zwischen Fisch und mir nur noch wirklich starkes Material. Mein Leader hält gut 45lbs und mein Vorfach doch auch 35lbs, also komm nur du Wilder. Gut 20m vorm Baum bekam ich mein Visavis dann erstmals an die Wasseroberfläche. Außer einen kurzen Umriss vom Schädel und der weit entfernten Schwanzflossenspitze konnte ich vorab im Sitzen aber nichts erkennen. Im ersten Moment dachte ich, verdammt das ist ein Waller! Der Fisch schoss dann auf mich zu unters Boot und ich konnte sehr erleichtert Schuppen ausmachen. Waller mit Schuppen gibt es nicht, dachte ich mir leicht beruhigt. Im selben Moment fiel mir aber ein, dass der Fisch gut 120cm lang war und wenn das ein Schuppenkarpfen war, würde er wohl sämtliche Rekorde brechen, also Obacht du alter Depp.  Wenig später hatte ich den Fisch parallel zum Boot an der Oberfläche und konnte erstmals eindeutig sehen, dass ich einen Amur gehakt hatte. Die Jungs am großen Hauptsteg wurden sofort dahingehend informiert. Beaver Love brüllte nur retour „verlier den ja nicht!!“. Seit 2013 kursieren ja die wildesten Gerüchte über Amur Karpfen im Virgin. Ich habe 2014 drei dieser Karpfen beobachtet, wurde von fast allen Kollegen aber nur müde belächelt. Norbert, der die drei Fische ebenfalls beobachten konnte, erging es nicht viel anders. 2017 wurden sie dann per Drohne videotechnisch festgehalten und unsere Legende hatte mindestens einen Funken Wahrheit erhalten. Nun aber hing exakt so ein Fisch an meiner Angel und den galt es nun sicher zu landen. Der Amur dümpelte augenscheinlich erledigt an der Wasseroberfläche und ich griff nach dem Kescher. Ich hatte das Netz noch nicht einmal im Wasser, als der Fisch erneut explodierte. Alter Schalter, was ist mit dir? Wieder waren gut 30m Leine draußen. Diesmal aber wieder in Richtung Plateau. 10Minuten später war der Fisch wieder an der Oberfläche und ich startete Kescherversuch #2. Ja sag du mir, das gibt es ja nicht, kaum hatte ich den Kescher angehoben, drehte der Amur erneut durch und schoss senkrecht nach unten, wie von der Tarantel gebissen. So jetzt probieren wir was Neues. Ich verfrachtete das Landenetz ins Wasser, drillte den Fisch erneut zum Boot und durfte Versuch #3 ähnlich erfolglos hinnehmen, wie den darauf folgenden #4. Ich gebe zu, ich war in diesem Moment wirklich kurz vorm Ausflippen. So ein störrisches Viech habe ich echt noch nie erlebt. Der Fisch ist definitiv bereit zur Landung, bekommt aber beim Anblick des Keschers einen Energieanfall und mobilisiert erneut ungeahnte Kräfte. Beim fünften Anlauf hatte ich dann das Glück auf meiner Seite, denn als er wieder versuchte abzutauchen hatte ich das Netz schon unter ihm. YES!! Du gehörst mir!! Die Jungs am Steg bekamen vorerst nur eine Mitteilung, die da hieß, “das ist ein Gigant Freunde!“. Mit dem Fisch im eingerollten Keschernetz seitlich am Boot, ging es nun retour zu meinem Steg. Dort angekommen wurde unter Aufbringung vereinter Kräfte aller Anwesenden, dieses Urviech vom Kescher in die Wiegeschlinge verfrachtet. Anschließend hoben wir den Fisch ins Cradle, hakten ab, desinfizierten die Hakenwunde und wogen ihn. Der Zeiger meiner Reuben pendelte zwischen 36 und 34kg. So ohne Wiegegestell war eine wirklich korrekte Messung nicht möglich, also einigte man sich final auf 34Kg.

Da der Fisch nun an Land gar wenig Aktivität zeigte, beschloss ich sofort samt Fisch ins Wasser zu übersiedeln. An der Oberfläche war das Wasser angenehm warm, aber keine 20cm tiefer? Na ja, für Beaver Love und Philip war es wenigstens lustig, für mich eher weniger, dafür hörbar mehr, als nur simpel erfrischend. Bis ich meinen Luxuskörper brusttief im Virgin versenkt hatte, blieb mir doch einige Male ordentlich die Luft weg.

Als dann alle Fotos zur Zufriedenheit der Fotografengilde im Kasten waren, ging es ans Freilassen. Normalerweise überhaupt kein Mirakel, gestaltete sich das Releasen des Amurs doch irgendwie anders. Der Fisch dürfte sich wahrlich vollkommen verausgabt haben, denn selbst nach mehrmaligen vor und zurück Schieben, zeigte er keinerlei Reaktion. Positiv war vorerst nur, dass sich die Kiemendeckel gut sichtbar bewegten. Gut 10 Minuten bewegte ich den Amur, bis er endlich selber wieder aktiv Leben zeigte. Er spreizte zuerst die mächtigen Brustflossen und mit einem ersten Schwanzflossenschlag gab er mir zu verstehen, dass er nun bereit sei. Langsam, fast majestätisch tauchte er dann ab und wenig später war er schon außer Sicht.


Philip und Beaver Love gingen retour zur Hütte und ich wechselte mein Gewand, um wenig später ebenfalls dorthin zu gehen. Natürlich wurde dort sofort der Dschungelfunk per Whatsapp gestartet, galt es ja diesen Fisch der restlichen Virgin Lake Fischergilde unter die Nase zu reiben. Wieder einmal wurde real bewiesen, dass stures Ausharren, stoischer Glauben ans eigene Tun und Vertrauen in oft bewährte Taktik, doch irgendwann belohnt wird. Wer weiß, ob ich diesen Fisch gefangen hätte, wäre ich Ralfs Rat gefolgt und hätte auf seine Spots umgelegt. Am Ende bleibt aber stehen, dass mein erster richtig gehakter Amur mit seinen 34kg beileibe kein Kleiner war und es doch immerhin 45 Jahre gedauert hat, bis mir endlich der Fang dieser Spezies gelungen ist. Rundum glücklich und zufrieden packte kurz nach Mittag ein und verkrümelte mich in Richtung Heimat.

Exakt eine Woche später in fast ähnlicher Zusammensetzung, was die Anwesenden betraf, konnte ich einen zweiten, marginal kleineren Amur verhaften. Eh klar, wieder auf meinem Plateau und mit exakt der selben Köderpräsentation.

Dieser zweite Amur verifizierte alle dieser Art eigenen Verhaltensmerkmale äußerste präzise. Von der extremen Reaktion auf den Kescher, über die seltsame Fluchtroute, bis zur unglaublichen Verausgabung, die zur relativ langen Reanimation führte, war  wirklich alles analog zur Vorwoche.

Jetzt bin ich natürlich hinter dem Amur#3 her, eh klar.....